Verrückter Hype um Jesus-Buch von Muslim

Jürg Lehmann /  Reza Aslan (41) stellt Jesus in einem Buch vom Kopf auf die Füsse. Fox News wollte Aslan demontieren - und erreichte das Gegenteil.

«Zealot. The Life and Times of Jesus of Nazareth» – So heisst das aufsehenerregende Buch des Religionssoziologen Reza Aslan (Zealot= Eiferer, Fanatiker). Aslan ist nicht interessiert an Jesus als Inkarnation Gottes, sondern als prägende historische Figur unter römischer Herrschaft. Er zeichnet ihn als Unruhestifter und Sozialrebell, als politischen Revolutionär, der die Stabilität des Systems gefährdete und deshalb gekreuzigt wurde.

«So einer könnte gut und gerne mit Barack Obama befreundet sein, also im Grunde ein Sozialist, wenn nicht Satan selbst», ironisiert die «Frankfurter Rundschau» mit Blick auf die republikanisch-fundamentalistische Rechte in den USA. Darum muss der Autor dort demontiert werden, zumal er auch noch Muslim ist. Also bat Rupert Murdochs TV-Sender Fox News Reza Aslan zum Interview.

Versteckte Agenda vermutet

Moderatorin Lauren Green vom Format «Spirited Debate» fragt Aslan zunächst: «Sie sind Muslim, warum schrieben Sie ein Buch über den Begründer des Christentums?» (Red. Was Jesus nicht ist) Aslan schaut verdutzt, zieht die Augenbrauen hoch und erklärt nicht ganz uneitel, dass er als Wissenschaftler dafür qualifiziert sei, mehrere akademische Grade besitze und «Bibelgriechisch» beherrsche, also die Sprache, in der das Neue Testament verfasst ist – und dass seine Deutung überhaupt nicht der islamischen Sicht entspreche.

Doch Green insistiert, vermutet eine versteckte Agenda des Autors, zitiert religiöse Kritiker Aslans, was dieser aus Sicht einer wissenschaftlichen Debatte nur begrüsst. So geht das weiter über fast zehn quälend-peinliche Minuten: Green insistiert, Aslan erklärt sich. Zuletzt behauptet Green, Aslan verschweige seinen religiösen Hintergrund öffentlich. Jetzt reagiert der Angegriffene leicht enerviert: «Ma’m, das steht auf der zweiten Seite meines Buches!» Er fordert sie auf, Medien zu finden, in denen seine Biographie kein Thema sei.

Das peinlichste Interview von Fox News?

Am Tag darauf lädt die Webseite Buzzfeed das Fox-Video hoch und setzt den Titel dazu: «Ist dies das peinlichste Interview, das Fox je gemacht hat?» Kurz darauf ist das Interview vier Millionen mal angeklickt und Reza Aslan hat auf Twitter 5’000 neue Follower. Der Verlag Random House gibt bekannt, die «Zealot»-Verkäufe hätten um 35 Prozent zugelegt, und erhöht die Auflage umgehend um zusätzliche 50’000 Bücher auf ein Total von 150’000 Exemplaren.

«Zealot» war schon vorher ein Bestseller und Aslan absolvierte auf einer dreiwöchigen Promotions-Tour manchen Auftritt auf weiteren TV-Sendern. Immer agil, immer eloquent. Die Reaktionen seien «überwältigend positiv», sagt er und weiter: «Ich hoffe, die Leute erkennen, dass ihr Glaube, wie Jesus sagt, auf Stein und nicht auf Sand gebaut sein sollte.» Und der «New York Times» gegenüber sagte er nach dem millionenfachen Echo auf das Fox-Interview: «Ich will absolut ehrlich sein: Diese Art PR kannst du nicht kaufen.» Inzwischen liegt sein Buch in der Bestseller-Rangliste des Battes auf Platz 1.

Das andere Gesicht des Reza Aslan

Doch neben dem smarten Professor an der University of California in Riverside gibt es auch den Social-Media-Maniac, der auf Twitter gegen Angriffe unzimperlich reagiert und sich nicht selten in Obszönitäten ergeht. Das ist das andere Gesicht des Reza Aslan. Aber das möchte man angesichts des «Zealot»-Hypes wohl lieber nicht sehen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

FRANCE-GAY-MARRIAGE-DEMO

Toleranz gegenüber Fundamentalisten?

Forderungen nach präventiver Überwachung der Bürger, nach Verboten von Waffen oder der Burka stehen im Raum.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

4 Meinungen

  • am 5.08.2013 um 17:45 Uhr
    Permalink

    Danke für den heissen Tipp. – Und zu den Twitterbotschaften: Wenn man tweets bekommt, wie zum Beispiel: «Deine Mutter hätte dich bei deiner Geburt ertränken sollen. Verdammt sei die Gebärmutter, die dich rausgespuckt hat…» – um hier nur einen und nicht den übelsten zu erwähnen, dann verwundert es mich nicht, wenn Aslan sich zuweilen in der Wortwahl vergreift. Irgendwie Zahn um Zahn die mediale Story?

    Und wenn wir schon dabei sind: Immer lustig, wenn Journalisten, die es nicht gewohnt sind, Dinge kritisch zu hinterfragen, plötzlich investigativ auftreten… oder eher ein Trauerspiel? . Wie auch immer: Danke für den Buchtipp!

  • am 7.08.2013 um 15:19 Uhr
    Permalink

    Jede Haltung erzeugt im Gegenüber die gegenteilige Haltung. Alle haben ihre Informationen aus zweiter, dritter oder vierter Hand. Hat Herr Aslan auch die Essener Schriften, die Qungran-Rollen, die Evangelien nach Maria Magdalena, Judas und Thomas studiert? (Wurden 260 und 420 aus der Bibel vom Konzil weg zensuriert) Beherrscht er wirklich aramäisch, hebräisch und griechisch? Hat er gewissenhaft die Apokryphen studiert? Ich glaube nicht, denn um all dieses Wissen sich an zu eignen und gewissenhaft zu studieren braucht es 30 Jahre und mehr. So befürchte ich doch, steht sein Buch eher auf Religions-Ideologischem Boden als auf sachlich historischer Forschung. Dass er damit Fundamentalisten aufmischt, ist ein angenehmer Nebeneffekt dieser fast lustigen Posse. Und es beweist wieder mal, Religion und Glauben, also echte spirituelle Lebensführung im Sinne guter Werte wie, tu niemandem das an, was Du nicht an Dir getan haben willst, haben offenbar immer weniger miteinander zu tun. Das streiten unter den Religionen kommt mir bald vor wie eine Art geistige Masturbation. Da gäbe es wichtigeres zu tun, zum Beispiel dafür zu sorgen, dass nicht mehr jeden Tag 15’000 Kinder verhungern.

  • am 9.08.2013 um 08:35 Uhr
    Permalink

    Warum soll ein Muslim, der (als Religionssoziologe) über Jesus schreibt etwas seltsames sein? Wieviele Christen bis Atheisten schreiben denn Bücher über den Islam und seinen (mit Jesus nicht vergleichbaren) Propheten?
    Wohl Tausende, von Hans Küng (alle Sterne) bis Robert Spencer (nur schwarze Nebel).
    Reza Aslan hat im übrigen auch Bücher zur Dekonstruktion religiöser Fundamentalismen geschrieben.
    Was FOX betrifft wird man den Verdacht nicht los, dass es auch darum ging, einen IRANER von Herkunft zu diskreditieren. Das machen Medien manchmal, wenn sie Kriege vorbereiten helfen.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...