Kommentar

Sprachlust: Von Fehlern, die es in sich haben

Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Daniel Goldstein /  Der Duden erlaubt «einen Soldat», aber besser sei «Soldaten». Und ohne «einen»? Experten streiten, ob dann die Endung stehen soll.

Willst du einen Brief, so schreibe einen … Fehler, oder besser deren zwei. Wenn auch ohne Absicht, habe ich doch in der letzten «Sprachlupe» des alten Jahres in der «Bund»-Version zweimal «Dativ» geschrieben statt «Akkusativ». Dafür bin ich mit etlichen behutsamen Reaktionen (sowie einer gestrengen) belohnt worden. Der Schreiberin und den Schreibern sei hier nochmals gedankt – ebenso allen, die den doppelten Fehler auch bemerkt, aber auf eine Zuschrift verzichtet haben.
Manche Reaktionen spinnen die Überlegungen rund um den – von Bastian Sick beanstandeten – Titel weiter: «Terroristen exekutieren US-Soldat». So meinte ein Leser, ohne die von Sick verlangte Endung («Soldaten») wäre es ja gar kein Akkusativ, wie ihn «exekutieren» erfordert. Dass «Soldat» hier im Akkusativ steht, bestreitet freilich auch die Kritik nicht. In diesem Fall argumentiert namentlich Robert Sedlaczek (Autor von «Wenn ist nicht würdelos») nur, das Wort müsse endungslos sein, weil es ohne Artikel stehe.
Subtilitäten im Duden
Das Thema «Weglassen der Flexionsendung» ist dem Duden-Band 9 (Richtiges und gutes Deutsch) gut acht Seiten wert; eine abschliessende Antwort findet man indessen auch dort nicht. Das (Dativ-)Beispiel «zwischen Patient und Arzt» stammt von da. Auch ein entsprechender Akkusativ liesse sich bilden: «Information für Patient und Arzt». Als einzelnes endungsloses Wort steht im Duden 9 «ein Forstmeister mit Assistent», und im Akkusativ «das Gesuch muss Name (nicht: Namen), Beruf und Anschrift enthalten». Welche Form korrekt ist, wenn «Name» allein statt in einer Aufzählung steht, wird nicht ausgeführt; ich finde, man müsse dann Artikel und Endung schreiben, also «den Namen».
Ein Beispiel für ein korrekt artikelloses Einzelwort im Akkusativ wäre die Kartenspiel-Regel «König schlägt Bube». Der Duden und der von Sick abgekanzelte Textchef begründen die Endungslosigkeit mit der Verwechslungsgefahr: Man könnte meinen, es würden mehrere Buben geschlagen (bzw. Soldaten umgebracht). Dieses Missverständnis kann freilich auch dann entstehen, wenn es nicht um ein schwach dekliniertes Wort wie «Soldat» geht, sondern um starke Deklination, bei der sich Ein- und Mehrzahl im Akkusativ nicht unterscheiden: «Terroristen exekutieren Panzerfahrer». Auch etwa bei «Information für Apotheker» weiss man nicht, ob es um mehr als einen geht. Wenn «und Arzt» folgt, denkt man an den Singular, sonst eher an den Plural, ausser wenn es heisst «für den Apotheker».
Formeln und Telegramme
Die meisten Beispiele im Duden sind formelhafte Wendungen, bei denen gerade deshalb der Artikel fehlt. Gilt die Endungslosigkeit auch, wenn man den Artikel bloss weglässt, um Platz zu sparen, wie in einem Telegramm oder eben einem Zeitungstitel? Für mich ist das keineswegs zwingend, und ich habe noch kein Regelwerk für den Telegrammstil gefunden. Als ich der «Bund»-Redaktion angehörte, habe ich mich bei Titeln dieser Art für «… Soldaten» eingesetzt – wie Sick, aber noch ohne das zu wissen, und nicht immer mit Erfolg. Allerdings zählt der Duden «Soldat» inzwischen zu jenen Wörtern, bei denen das Weglassen der Endung im Dativ und im Akkusativ «weit verbreitet» sei, auch wenn sie mit Artikel stünden: «einem» oder «einen Soldat» sei also «nicht einfach inkorrekt», «… Soldaten» aber besser.
Ich hielt damals «… Soldat» schlicht für falsch. Aus der Kritik an Sick habe ich gelernt, dass man das auch anders sehen kann, aber ich ziehe «… Soldaten» immer noch vor, ob mit oder ohne Artikel. Die Polemik entzündet sich oft daran, dass eine Meinung als einzig richtige dargestellt wird; in diesem Fall tun es beide Seiten. So unterstellt Sick dem Textchef, der auf «… Soldat» bestand, «Probleme mit der deutschen Sprache». Bloss: Wer hat die nicht? Ausser absoluten Koryphäen wohl nur, wer zu wenig nachdenkt.
— Zum Infosperber-Dossier «Sprachlust»; früherer Beitrag zur Endungslosigkeit


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Redaktor der Zeitschrift «Sprachspiegel» und schreibt für die Zeitung «Der Bund» die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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