Kommentar

Das Minarett-Verbot sendet falsche Signale

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsGret Haller ist Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik SGA-ASPE. ©

Gret Haller /  Europa muss und will Muslime und Islamismus klar unterscheiden. Das Minarett-Verbot verdächtigt alle Muslime. Geht das heute noch?

Die Terroristen in den Redaktionsräumen der Satirezeitschrift Charlie Hébdo und im koscheren Lebensmittelladen in Paris haben behauptet, den Propheten Mohammed zu rächen. Schon bald darauf starteten die Versuche, die entsetzlichen Morde für islamfeindliche Parolen zu instrumentalisieren. Aber dann am darauf folgenden Sonntag der überwältigende Eindruck der Solidaritätskundgebung mit der Präsenz zahlreicher Staats- und Regierungschefs, in vorderster Reihe mit dabei auch Bundespräsidentin Sommaruga. Europa stand geschlossen hinter seinen Werten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, welche in der Französischen Revolution ihren Anfang genommen und denen die Terroranschläge letztlich gegolten haben.

Heute sind diese Werte zur Grundlage einer nationenübergreifenden europäischen Identität geworden. Sie beinhalten die politische Verantwortung, ihre Bedeutung immer wieder im Lichte der aktuellen Geschehnisse zu sehen und umzusetzen. Deshalb richten sich nun viele Solidaritätskundgebungen auch gegen die Ausgrenzung ganzer Religionsgemeinschaften. Es besteht vor allem die Gefahr der Gleichsetzung von Islamisten mit allen Muslimen. Seit Wochen veranstaltet eine Bewegung, die sich «Pegida/Patrioten Europas gegen die Islamisierung des Abendlandes» nennt, ausgehend von Dresden Demonstrationen mit fremdenfeindlichem und nationalistischem Hintergrund, auch wenn dies nicht immer offen zu Tage tritt. Gegendemonstrationen, denen sich vor allem seit den Terroranschlägen in Paris immer mehr Personen anschliessen, sind Teil der Wahrnehmung dieser politischen Verantwortung, die aus den europäischen Grundwerten hervorgeht.

Angesichts der unter tragischen Umständen wieder neu beschworenen nationenübergreifenden Identität von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, muss sich jedes Land in Europa fragen, was es zu dieser Identität beiträgt. Oder was es für Signale aussendet, welche einer solchen Identität entgegenstehen. Das Minarett-Verbot, nun seit bald fünf Jahren in der Bundesverfassung, sendet problematische Signale aus. Es will glauben machen, der Islam und damit alle Muslime seien gefährlich, so dass sich die Schweiz vor ihnen schützen müsse. Mit wirksamen Mitteln wird sich dieses Land in Zusammenarbeit mit anderen Ländern vor islamistischem Terror zu schützen versuchen. Aber dieser hat nichts zu tun mit unseren muslimischen Mitbewohnern.

Nach den Terroranschlägen von 2015 wird das Minarett-Verbot noch mehr zum Schandfleck. Dies darf und soll offen ausgesprochen werden, auch wenn das Verbot von einer Mehrheit der Stimmenden angenommen worden ist. Politische Verantwortung setzt längst nicht immer bei Mehrheitsmeinungen ein. Umso wichtiger ist es, die offene Diskussion zu solchen Fragen immer wieder aufzunehmen. Will sich die Schweiz wirklich in einem Atemzug mit der «Pegida»-Bewegung nennen lassen, welche die Islamfeindlichkeit schon in ihrem Namen trägt? Ein Verbot kann jederzeit gestrichen werden. Positive Beispiele dafür gibt es, so die Streichung des Jesuiten- und Klosterverbotes aus der Bundesverfassung am 20. Mai 1973. Die Streichung des Minarett-Verbotes wäre für die Schweiz die glaubwürdigste Art, aussenpolitisch auf die Terroranschläge in Paris zu reagieren. Innenpolitisch braucht es dafür eine Volksabstimmung und im Hinblick darauf vor allem eine offene Diskussion.

Dieser Beitrag ist erstmals als Editorial auf der Website der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik SGA-ASPE erschienen.


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Gret Haller ist Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik SGA-ASPE.

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27 Meinungen

  • am 28.01.2015 um 14:42 Uhr
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    Das Minarettverbot ist ein gute Beispiel dafür, wie es einer populistischen rechtskonservativen Partei möglich ist – unberechtigte – Ängste zu schüren, die dann als real wahrgenommen werden. Diese Manipulation ist auch Bezug auf Immigration, Kopftuchverbot, Burkaverbot (!) Islamisierung Europas zu beachten. Dresden zeigt auch deutlich, dass durch solche populistischen Manipulationen effektiv Gefahren wahrgenommen werden, die nicht existieren: Es gibt kaum Muslime in Dresden! Der US Sender Fox, hat daraus bereits Tatsachen gemacht und in den News über die in Birmingham eingeführte Scharia berichtet. Der «Reporter» sagte wörtlich. Europa ist bereits verloren! (An die Islamisten)

  • am 28.01.2015 um 15:29 Uhr
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    Ein Denkfehler !

    Nicht mehr Religiöse Symbole, sondern GAR KEINE MEHR, und schon gar keine „Baulicher art“ !
    Ich wiederhole hier in etwa was ich anderswo schon geschrieben habe punkto Minarette:

    „Kirchentürme“ im allgemeinen haben längst ihre Funktion verloren.
    Minarette wurden schon mal auch als Phallus Symbol definiert … also (!) frauenfeindlich und dürfen durchaus als „Einschüchterrungsbauten“ bezeichnet werden.
    Es darf nicht sein dass auf den Minarette die Muezzine (käme dann als nächste Forderung), die ganze Schweiz „von oben“ beschallen dürfen und uns aufzeigen dürfen … „wohin der weg geht“, nein Danke !
    Es war daher sehr klug seitens des Schweizer Volkes dies alles zu verbieten …

    Punkto Religionen:

    Pirmin Meier schrieb dazu, Zitat:
    „ … die totale Trennung Kirche-Staat (einführen), mit einer Übergangsfrist von 50 Jahren, damit es für die Kirchgemeinden, die teure Investitionen machten, keine Schikanen gibt…“ ein sehr kluger Satz !

    Unsere Religionen in der Verfassung als Kontrapunkt beizubehalten könnte als Strategie gegen die Islamisierung zwischenzeitlich aufgehen, aber wegen „aufkommende Begehrlichkeiten“ (Universitäten mit Lehrstühle, Bauten, usw.), ALLER anderer Glaubensrichtungen, würde sich auf die länge eher als kontraproduktiv herausstellen. Also Privilegien für niemanden mehr.
    Die Schweiz als neutraler Staat soll KEINE Religionen, die sich allmählich (wir sehen dies ja täglich), zu „Menschen-Trennenden-Ideologien entwickeln“, mehr fördern dürfen !

  • am 28.01.2015 um 15:35 Uhr
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    Gehört entgleiste Satire gegen eine Glaubensgemeinschaft auch zur Brüderlichkeit? Natürlich sind Muslime primär nicht mit dem Islamismus gleichzusetzen, aber wer unschuldig ist, werfe den ersten Stein, so steht es schon in der Bibel. Das Aktion Reaktion zur Folge hat, ist eine Gesetzmässigkeit. Auch Satire erforder ein Mindestmass von Respekt und Verantwortung!
    Die Schweiz gehört nicht zum Kulturkreis der Muslime und die Frage bezüglich der Gleichberechtigung der Religionen kann die Schweiz selbst lösen, da braucht es keinen internationale Aufruf und auch nicht von Altpolitikern.
    Ein Glaubensbekenntnis hängt nicht von einem äusseren Zeichen ab, sondern von der inneren Gesinnung! Es braucht deshalb nicht zwingend ein Minarett um seinen Glauben auszuüben. Natürlich wird alsbald der Ruf nach dem Verbot der Kirchtürme aufkommen. Man diskutiert ja bereits darüber, den störenden Glockenschlag der Kirchtürme zu verbieten… Dafür fordert man wahrscheinlich den Muhezzin. Die Schweiz ist Teil des Abendlandes und nicht die Morgenlandes. Im Morgenland stehen auch keine Kirchtürme! Also bitte, die Relationen nicht verlieren. Sollen ab morgen alle Katholiken mit einem Rosenkranz oder einem grossen Kreuz am Hals sich als Katholiken outen und sollen alle Reformierten immer mit der Lutherbibel zu einem Geschäftsmeeting erscheinen?
    Respekt und dies mit Mass ist von allen Seiten gefragt!

  • am 28.01.2015 um 18:24 Uhr
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    Oh je – Keine Kirchtürme im Morgenland? Ich muss wohl halluziniert haben. Ich habe viele gesehen. Einige sogar friedlich vereint neben Minaretten. Sogar im Iran hat es welche. Natürlich – Für unsere Politiker und Medienleute hat es keine. Auch nicht wenn man sie im Internet bewundern kann. Warum wohl ist es so???

    In Palästina ist gem. Wikipedia ca. 98,5% der Bevölkerung muslimisch. 1,5% christlich. Der Stadtpräsident von Bethlehem ist eine Frau. Der Stadtpräsident von Ramallah ist auch eine Frau. (Nun sitzen Sie bitte ab) Beides sind Christinnen.
    30% der Rekruten in der Schweiz sind Muslime (Ich fühle mich äusserst wohl dabei!)
    Wollen Sie nun auswandern?
    Bitte etwas Sachlichkeit. Werden wir von unseren Politikerinnen und Politikern und Medien-Menschen nicht schon genug angelogen?

    Das Thema Minarett vor Wahlen zu instrumentalisieren zeugt alles andere als von Achtung und Respekt für unsere muslimische Bevölkerung (Ich selber bin Atheist). Nicht besser steht es bei den Medien-Menschen:
    „Es braucht den Effort auf beiden Seiten“ Welch unglaubliche Demütigungen!
    http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Es-braucht-den-Effort-auf-beiden-Seiten/story/22490414

  • am 28.01.2015 um 20:09 Uhr
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    @Beat Wick: Dann halten wir doch Gegenrecht! Warum ist eigentlich Frau Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga nicht muslimisch? Bitte keine falschen Zahlen, damit können Sie nicht überzeugen!

  • am 28.01.2015 um 20:35 Uhr
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    @Düggelin. Entgleiste Satire? Voltaire ist nicht Goethe! Charivari ist allenfalls noch in Basel bekannt.

  • am 28.01.2015 um 20:54 Uhr
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    @H.K.J. Fritsche: Die Antwort sollte eigentlich von Beat Wick kommen! Sind Sie sein Anwalt? Die Zahlen von B. Wick sind offensichtlich falsch. Da hat er die Schweizer Armee mit der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft verwechselt! Und: Ist Satire nur erlaubt, wenn sie allen gefällt? Wo bleibt da Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit?

  • am 28.01.2015 um 21:30 Uhr
    Permalink

    @Düggelin. Satire kennt keine Grenzen, nicht einmal die des sogenannt guten Geschmacks, was immer das ist, wer immer das bestimmen könnt. Der Vorgänger von Charlie, Harakiri in den 70ern war schon genauso: Geschmacklos, antiklerikal, frauenfeindlich zumindest teilweise und vor nicht und niemandem in guter französischer Tradition Voltaires Respekt.

  • am 28.01.2015 um 21:44 Uhr
    Permalink

    @H.K.J. Fritsche: Danke für die reine Wahrheit!

  • am 29.01.2015 um 03:45 Uhr
    Permalink

    Ja. Moscheen sind nicht das Problem. Muslim, Menschen wie du und ich, sind unsere Br�der, welche mit ihren Nachbarn in Frieden leben wollen.
    Das Problem sind missgeleitete Fanatiker, welche es gibt und welche instrumentalisiert werden.
    Richtigstellungen:
    – 99% dr Menschen, welche unter dem Label Pegida auf die Strasse gehen, sind nicht gegen Fremde, nicht gegen Muslime. Und sie wehren sich gegen deren mittlerweile eklatante Bevorzugung gegen�ber Einheimischen bez�glich Sozialleistung und Recht.
    – Die Regierungsmitglieder sind keineswegs an der Spitze der Demo in Paris gelaufen. Sie haben sich fotogen und feige in einer Nebenstrasse aufgestellt. Das hat sogar ein Teil der Mainstreammedien wahrheitsgem�ss berichtet.
    – Die Morde in Charlie Hebdo waren inszeniert. Die T�ter waren hochprofessionell. Der ganze Vorgang strotzt vor Ungereimtheiten. Der leitende Untersuchungskommissar war sehr schnell ein bisschen tot. Warum wohl.
    – Die Morde sind – Gott sei es geklagt – ein voller Erfolg. Die Menschen meinen, Muslime seien es gewesen, die Menschen meinen, Muslime m�sse man pauschal verurteilen, die Menschen meinen, Muslime m�ssen raus.
    Teile und herrsche. Das alte bew�hrte Prinzip. Wie kann man nur immer und immer und immer wieder darauf hereinfallen. Es ist eine Trag�die.

  • am 29.01.2015 um 03:56 Uhr
    Permalink

    …habe mich in einem Punkt eben unklar ausgedrückt.
    Richtig muss es heissen:
    Die offizielle Version des ganzen Vorganges strotzt von Ungereimtheiten. Standort Fluchtauto. Vergessener Ausweis. Tankstelle überfallen. Und so weiter.

  • am 29.01.2015 um 05:41 Uhr
    Permalink

    Das Minarett-Verbot macht vor Allem den Geheimdiensten das Leben schwer.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 29.01.2015 um 06:41 Uhr
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    @Vögeli. Ihre Details würden in Lehrbuch der Verschwörungstheorien passen. Mit dieser Methode kann man nichts beweisen.
    @Beck/Düggelin. Natürlich gehören Kirchtürme zur Silhouette von Tunis, gibt es sie auch im Iran. Das Problem beginnt erst, wenn Sie einen neuen bauen wollen. Die nordafrikanischen Kirchtürme sind auch keine Zeugnisse des einstigen Urchristentums, sondern des Kolonialismus, so wie die architektonisch eindrücklichen Kathedraltürme in Südamerika Eroberungszeichen waren, wie generell Minarette. Türme müssten auch Privatpersonen erlaubt werden, welche ihr Sendungsbewusstsein ausdrücken wollen oder dann müssten deren Probleme in Sachen Therapie wenigstens von der Krankenkasse übernommen werden. In Sachen Turmbauten besteht Bedarf nach einer einheitlichen Regelung, zumal schon vor 50 Jahren diverse nicht mehr funktionale Kirchtürme, so in Wikon oder Döttingen, als Landschaftsverschandelung wahrgenommen wurden. Streng genommen drückt sich, wie schon die mittelalterlichen Wohntürme in der Toskana zum Teil zeigen, im Bedürfnis nach Turmbauten ein Macht- und Geltungsbewusstsein aus. Wenn das mit Menschenrechten zu tun hat, liegt wiederum Kritikbedarf vor, zumal die Rechtswissenschaften wie die Theologie erkenntnistheoretisch zu den dogmatischen Wissenschaften gehören.

    Vorstösse zu Burkaverbot u. gegen Islaminstitut (Fribourg) heizen die Stimmung aber negativ an. Letzteres könnte ev. als Impuls in Richtung Privatisierung auch christlicher Institute verstanden werden.

  • am 29.01.2015 um 09:20 Uhr
    Permalink

    Und warum mussen wir immer Toleranz gegenuber Muslims zeigen?
    Uber Minarete, ein Turkischer Politiker sagte ` Minarete sind unsere Bajonette`.
    Der Koran schreibt die Burka nicht vor, sagt nur `.. trage modest Kleider`.
    Das Burka Verbot ist angezeigt fur Sicherheit. Wer versteckt sich darunter?

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 29.01.2015 um 09:43 Uhr
    Permalink

    Im Religionsverfassungsrecht, das u.a. noch in Zürich, Bern, Basel, Luzern und Fribourg gelehrt wird, wurde das Minarettverbot mit den von den radikalliberalen Bundesstaatsgründern durchgesetzten religiösen Ausnahmeartikeln verglichen, so dem Kloster- u. Jesuitenverbot von 1848 und 1874, ferner auch der kantonalen Bewilligungspflicht für Hirtenbriefe sowie dem jahrelangen Verbot des Bischofs von Solothurn, das Gebiet des Kantons Aargau für die Firmung zu betreten, weswegen die Buben und Mädchen in den Schwarzwald und nach Zug und Luzern auswichen. Es hat weniger mit rechtskonservativem als mit radikalliberal-laizistischem Gedankengut zu tun, welches die Schweizer Freisinnigen bei der Gründung des Bundesstaates durchgesetzt haben. Die Ausnahmeartikel, die im Gegensatz zum Minarettverbot Menschen direkt schikanierten, wurden 1973 v. Volk u. Ständen abgeschafft, u.a. mit Rücksicht auf die Europ. Menschenrechtskonvention. Menschenrechtsverletzung war aus heutiger Sicht die Vertreibung der Mönche im Januar 1841 bei 15 Grad unter Null, dies im Namen des liberalradikalen Fortschritts, zumal die Ausschaffung Schweizer Kantonsbürger betraf.

    Das Minarettverbot drückt aus schweizerischer Tradition die offensive Ablehnung einer Ideologie aus, bei der die Trennung von Kirche und Staat nicht vorgesehen ist. Ob dieser Volkswille sinnvoll u. zweckmässig ist, bleibt dahingestellt. Mit Sicherheit ist es milder als die früheren radikalfortschrittlichen schweizerischen Verfassungsbestimmungen.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 29.01.2015 um 09:43 Uhr
    Permalink

    Im Religionsverfassungsrecht, das u.a. noch in Zürich, Bern, Basel, Luzern und Fribourg gelehrt wird, wurde das Minarettverbot mit den von den radikalliberalen Bundesstaatsgründern durchgesetzten religiösen Ausnahmeartikeln verglichen, so dem Kloster- u. Jesuitenverbot von 1848 und 1874, ferner auch der kantonalen Bewilligungspflicht für Hirtenbriefe sowie dem jahrelangen Verbot des Bischofs von Solothurn, das Gebiet des Kantons Aargau für die Firmung zu betreten, weswegen die Buben und Mädchen in den Schwarzwald und nach Zug und Luzern auswichen. Es hat weniger mit rechtskonservativem als mit radikalliberal-laizistischem Gedankengut zu tun, welches die Schweizer Freisinnigen bei der Gründung des Bundesstaates durchgesetzt haben. Die Ausnahmeartikel, die im Gegensatz zum Minarettverbot Menschen direkt schikanierten, wurden 1973 v. Volk u. Ständen abgeschafft, u.a. mit Rücksicht auf die Europ. Menschenrechtskonvention. Menschenrechtsverletzung war aus heutiger Sicht die Vertreibung der Mönche im Januar 1841 bei 15 Grad unter Null, dies im Namen des liberalradikalen Fortschritts, zumal die Ausschaffung Schweizer Kantonsbürger betraf.

    Das Minarettverbot drückt aus schweizerischer Tradition die offensive Ablehnung einer Ideologie aus, bei der die Trennung von Kirche und Staat nicht vorgesehen ist. Ob dieser Volkswille sinnvoll u. zweckmässig ist, bleibt dahingestellt. Mit Sicherheit ist es milder als die früheren radikalfortschrittlichen schweizerischen Verfassungsbestimmungen.

  • am 29.01.2015 um 10:26 Uhr
    Permalink

    Im Namen Gottes des Allmächtigen!

    Das Schweizervolk und die Kantone, in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung, im Bestreben, den Bund zu erneuern, …

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 29.01.2015 um 11:31 Uhr
    Permalink

    @Bregy. Wie ich mir im aargauischen Verfassungsrat schon 1978 vom Staatsrechtler Prof. Eichenberger bestätigen liess, ist die von Ihnen zitierte Anfangsformel (oder ähnliche) nicht als Bekenntnis zu Gott zu lesen, sondern als Zitat der alten Bundesbriefe, darf jedenfalls nicht als Anerkennung irgendeines Gottesbildes gelesen werden. Die noch wesentlichste Aussage ist eher indirekt. Der Staat erklärt, nicht die allerhöchste Instanz sein zu wollen, wobei man den Platz der höchsten Instanz auch leer lassen kann. Auf jeden Fall gelten die Gesetze gerade nicht im Namen Gottes, man beruft sich lediglich auf den Vorbehalt einer höheren Ordnung. Die weiteren Phrasen der Präambel sind u.a. von Adolf Muschg formuliert worden. Der Ausdruck «Verantwortung gegenüber der Schöpfung» gilt als Denkfehler, weil nur der Schöpfer dafür zur Verantwortung gezogen werden kann, die berüchtigte Frage nach der Theodizee. Gemeint ist wohl «Verantwortung gegenüber der Natur». Das Wichtigste nach Meinung der Staatsrechtler ist und bleibt aber, dass die Kirchen keine Privilegien aus dieser Präambel ableiten können, obwohl es leider gelegentlich getan wird. Die Aargauer Kantonsverfassung von 1982 hat eine sehr ähnliche Präambel, die ich im Protokoll ausführlich begründete. Heute denke ich in der Frage solcher Deklamationen skeptischer.

    Zu Muschg und Präambel von 1999: Adolf Muschg – Lebensrettende Phantasie – Ein biogr. Porträt, v. Manfred Dierks mit Hinweis auf fromm-pietistische Erziehung des Autors.

  • am 29.01.2015 um 11:36 Uhr
    Permalink

    Danke für den Hinweis!

  • am 30.01.2015 um 16:25 Uhr
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    Ich habe auch gegen das Minarettverbot gestimmt. Das Minarettverbot stellt einen völlig willkürlichen und nutzlosen Akt der Diskriminierung dar. Andererseits ist es auch nicht von sehr grosser Bedeutung. Es hindert niemanden an der Ausübung seiner Religion.
    Ich weiss nicht ob es hilfreich ist, nun nach Mordanschlägen, die von islamistischen Fanatikern verübt wurden, in erster Linie die (angebliche oder tatsächliche) Islamfeindlichkeit des Westens anzuprangern. Möglicherweise ist es eher Wasser auf die Mühlen der radikalen Islamgegner. Diese operieren ja sehr gerne mit dem Klischee des linken, netten Multikultiverstehers, der den Fremden jeden Fehler und jede Missetat nachsieht, dafür bei den Einheimischen umso strengere moralische Massstäbe anlegt. Wenn Gret Haller nach den Anschlägen von Paris vor allem das mangelnden Verständnis für den Islam thematisiert, dann bedient sie solche Klischees in mustergültiger Weise!

  • am 31.01.2015 um 08:52 Uhr
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    Trotz allem hin und her und theoretischen Abwägungen, Tatsache bleibt, dass Minarettverbot, Burkaverbot, Kopftuchverbot (übrigens warum gilt gleiches für die jüdischen Frauen nicht?) keinerlei praktischen Hintergrund haben, sondern lediglich der Repression einer Gruppen von Menschen und Mitbürgernd dient. Weder Minarett noch Kopftuch sind eine Bedrohung für irgendjemand, noch schränken sie irgend jemand in seiner Freiheit ein.

  • am 31.01.2015 um 11:10 Uhr
    Permalink

    Schön waren wohl die Zeiten, als der Minirock die grösste Sorge war.

  • am 2.02.2015 um 15:17 Uhr
    Permalink

    @ Fritsche

    Jüdische Frauen tragen unauffällige Perücken, also geht von denen keine visuelle Provokation hervor.
    Die jüdische Diaspora gibt in Europa keinen Anlass zur Aufregung. Auch die streng gläubige orthodoxe schleichen sich eher mit gesenktem Haupt durch die Gassen als irgendwo auffallen zu wollen.

    Es gilt wachsam zu bleiben gegenüber andere offensivere Gruppierungen. Es sind Kräfte am Werk die eine Umkrempelung unsere hiesige Werte beabsichtigen. Beharrlich, verdeckt aber mit stetem leisen Druck (dann und wann auch von Gewalt geprägt was dann sofort als „fremde Randerscheinung“ abgetan wird), wird subtil daraufhin gearbeitet.

    Mensch darf nicht blind sein … oder wollen wir wieder so enden wie zu Hitlers Zeiten „wo niemanden etwas bemerkt haben will“ … ?
    Dies scheint doch eine schwäche des Westens zu sein, wir dürfen auf keinen Fall „Güte und Toleranz“ mit „Naivität“ verwechseln.

  • am 2.02.2015 um 15:49 Uhr
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    @Bruderer. Sie meinen mit «offensiver Gruppierung» doch wohl nicht die SVP?

  • am 2.02.2015 um 16:06 Uhr
    Permalink

    @Fritsche
    Gehören sie zur Fraktion … «Die-Blinden» ? …

  • am 2.02.2015 um 16:24 Uhr
    Permalink

    @Fritsche: Kopftuchverbot ist sicherlich nicht zielführend, schöne Frauen dürfen doch ihr Gesicht zeigen, schade, dass sie es verbergen müssen! Burkaverbot ist diskussionswürdig, vorläufig kennen wir nur ein Vermummungsverbot, das allerdings nicht durchgesetzt wird…..!!!!

  • am 2.02.2015 um 17:35 Uhr
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    Analisieren wir mal was los ist.

    Vor dem Balkan Krieg lief praktisch keine Frau mit Kopftuch, geschweige denn mit Burka, bei uns herum.
    Dann kam die grosse Flüchtlingswelle aus diesen Ländern zu uns. Anfangs war es ruhig, da waren die in Not und froh und dankbar ein neues Zuhause gefunden zu haben. Dann kamen immer mehr, auch Frauen und Kinder und langsam realisierten die dass der Umgang von Mann und Frau hier zu lande etwas „liberaler“ war als in ihren Ursprungsländer.
    Unruhe setzte sich bei diesen eingewanderte Männer fest (die die Macht über ihre Frauen langsam verloren), sie wurden zu Hause strenger, die Kinder mussten vermehrt auf „ihre“ Religion achten, und so kam es dass sie die (angeblich) strenge Regeln (mit kräftiger Hilfe der Imame in den Moscheen denen das „Bunte“ treiben unserer Gesellschaft ein Dorn im Auge war !), des Islams wieder entdeckten, sozusagen aus Schutz vor unsere allzu Freidenkende Männer.
    Also es geht nur um Macht und Sex !
    Ja meine Herren so ist es !

    Also alles nur Macht gehabe seitens der Männer. Das angebliche „freiwillige“ tragen dieses unbequeme und sperrige Klüften seitens der Frauen, nichts als Lüge. Diese Frauen waren von je her unterjocht und dies schüttelt man nicht so schnell wieder ab, ein Paar Drohgebärde zu Hause und des Friedenswille beugt man sich wieder.

    Und wir hier sollten dies unterstützen ?

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