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Stein des Anstosses: U-Bahn-Station Mohrenstrasse © cc Luis Villa del Campo

Dieter Hallervorden und die Mohrenstrasse

Heinz Moser /  Dieter Hallervordens Stationsansage «Mohrenstrasse» in Berlin bringt den Komiker ins rassistische Zwielicht.

Promis kündigen in Berlin Haltestellen der U-Bahn Linie 2 an. Für die Aktion «Mach’ne Ansage – gib der BVG deine Stimme» der Berliner Verkehrsbetriebe übernahm der Komiker und Schauspieler «Didi» Hallervorden die Haltestelle Mohrenstrasse und kam in Teufels Küche. Nach dem Verein «Berlin Postkolonial» und der Initiative «Schwarze Menschen in Deutschland» beleidigt der Stationsname die schwarze Community in Berlin auf «kolonialrassistische» Art und Weise.

Hallervorden ist ein gebranntes Kind in Sachen rassistischer Vorwürfe. 2012 hatte er ein Theaterstück inszeniert, in welchem ein Schauspieler zum Schwarzen umgeschminkt worden war. Damals hatte man Hallervorden für dieses «Blackfacing» angegriffen – in Erinnerung an rassistische Shows in den USA, in welchen sich im 19. Jahrhundert Weisse über die Schwarzen lustig machten.

Die kolonialistische Vergangenheit holt den Mohr ein

Doch wie rassistisch ist die Bezeichnung «Mohrenstrasse» wirklich? Die Diskussion in Berlin greift weit in die Geschichte zurück – bis in die Anfänge des 17. Jahrhunderts, als preussische Kapitäne erste Kolonien in Afrika eroberten und dem Kurfürsten einige Afrikaner als Diener und Musiker nach Hause brachten. Neben der kolonialen Tradition wird die Mohrenstrasse aber auch auf die Firma Sarotti bezogen, die dort ihr Domizil hatte. Der Sarotti-Mohr galt noch bis vor wenigen Jahren als Aushängeschild dieser Firma. Doch die Kritik an dieser Figur als dem rassistischem Stereotyp eines schwarzen Dieners hatte Erfolg: 2004 wurde der Mohr zum unverfänglichen «Sarotti-Magier der Sinne» umbenannt.

Zurück ins Mittelalter

Wie weit der Mohr ausschliesslich als kolonialistisches Überbleibsel gilt, ist jedoch umstritten – auch in der Schweiz. Der Begriff verweist auf die Mauren und damit weit ins Mittelalter zurück. Die Berner Mohrenzunft wird schon 1383 erwähnt. Sie war die Zunft der Schneider und Tuchscherer und leitete ihren Namen vom heiligen Mauritius ab, den man wegen seiner Herkunft aus Nordafrika häufig als Schwarzen dargestellte. Bis heute existieren zudem mittelalterliche Gebäudenamen wie das Haus zum Mohrenkopf in St. Gallen oder die Mohren-Apotheke in Winterthur.

In der Schokoladen- und Lebensmittelindustrie kam der Mohrenkopf dagegen unter die Räder. Hier wurde in den Vordergrund gestellt, dass der Mohr im 19. Jahrhundert als abfällige Bezeichnung über Personen mit schwarzer Hautfarbe galt: Mohrenköpfe und Negerküsse wurden immer häufiger durch neutrale Begriffe wie Schokoküsse oder Choco-Köpfli ersetzt. So haben Grossverteiler wie die Migros den Mohrenkopf schon lange als Bezeichnung aufgegeben. Ganz anders schwärmt die Firma Richterich bis heute für ihre «Mohrenköpfe mit dem unvergleichlich luftig-crèmigen Schaum».

Oder besser: Nelson-Mandela-Strasse?

Doch zurück zu Berlin: Ist es denn nicht wichtiger, die alltägliche Diskriminierung von Menschen mit anderer Hautfarbe zu bekämpfen als sich über kulturelle Symbole aus der Vergangenheit aufzuregen? Dies meinen viele Berliner, welche die alte Bezeichnung «Mohrenstrasse» nicht aufgeben wollen. Auf der anderen Seite betont die «Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland», dass Änderungsbedarf gegeben sei, wenn sich Menschen dadurch betroffen und beleidigt fühlen. Sie haben bereits einen konkreten Vorschlag für eine Umbenennung der Mohrenstrasse in petto: Nelson-Mandela-Strasse.

Fein raus wäre damit auch Dieter Hallervorden. Hat er doch öffentlich versprochen: «Sowie die Mohrenstrasse umbenannt wird, sage ich sie neu an.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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4 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 7.02.2015 um 07:45 Uhr
    Permalink

    Aus kultur- und sprachhistorischer Perspektive handelt es sich hier um rein psychische Probleme von rassismusneurotischen Menschen ohne Hintergrundkenntnis, zumal mit Mohren ursprünglich Nordafrikaner, nicht unbedingt Schwarze gemeint sind. Der Name Maurus, des Nachfolgers des heiligen Benedikt, Patron der abendländischen Bildung, heisst «Mohr». Mein leider verstorbener Neffe Maurus wie auch der Jungschrifteller Maurus Federspiel hätten sich da ihrerseits umbenennen müssen. Ignoranten, die auf Vorrat beleidigt sind, hätten zwar die Möglichkeit, sich zu informieren, zu beruhigen und ev. die Sache mit Humor zu nehmen. Solche Sorgen sollte man haben, denkt man auch nur an die Milliardenprobleme Griechenlands, dessen Finanzdesaster nominell und kaufkraftbereinigt dreimal so hoch ist wie für Deutschland die Kosten des 2. Weltkriegs, zu schweigen vom Krieg in der Ukraine.

  • am 14.02.2015 um 19:33 Uhr
    Permalink

    Angelehnt an den Artikel und als Ergebnis der allgemeinen Entrüstung fehlgeleiteter Betroffenheits-Beauftragter könnte man resümieren: Es ist allemal ehrlicher «Neger» zu sagen und «Schwarzer» zu meinen, als umgekehrt.

    Neubezeichnung der Strasse: Man könnte auch dagegen halten und behaupten, dass Nelson Mandela für viele Südafrikaner ein verurteilter Terrorist war…

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 14.02.2015 um 23:04 Uhr
    Permalink

    Der erste schwarze Doktorand in Deutschland doktorierte um 1724 zum Thema «Das Recht der Mohren in Preussen», ist doch beeindruckend, geht in Richtung Menschenrechte, ein Grund mehr, bei der «Mohrenstrasse» zu bleiben. Im Allgemeinen fehlen die Hintergrundkenntnisse. Nachgelesen werden kann die Sache im Buch von Prof. Siegfried Wollgast über das Promotionswesen in Deutschland, veröffentlicht um 1998.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 14.02.2015 um 23:04 Uhr
    Permalink

    Der erste schwarze Doktorand in Deutschland doktorierte um 1724 zum Thema «Das Recht der Mohren in Preussen», ist doch beeindruckend, geht in Richtung Menschenrechte, ein Grund mehr, bei der «Mohrenstrasse» zu bleiben. Im Allgemeinen fehlen die Hintergrundkenntnisse. Nachgelesen werden kann die Sache im Buch von Prof. Siegfried Wollgast über das Promotionswesen in Deutschland, veröffentlicht um 1998.

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