Langhans

Liebe zu fünft: Alt-Hippie Rainer Langhans mit seinen Gefährtinnen © Bayerischer Rundfunk

«Das Wort ‹Polygamie› ist biblisch, nicht cool»

Red. /  Um die Akzeptanz von «Polygamie» zu erhöhen, meint NYT-Kolumnist Ross Douthat, müsse man sie umtaufen in «Polyamorie».

Nachdem das US-Bundesgericht die Homo-Ehe in allen US-Bundesstaaten erlaubt hat, taucht – wie von Gegnern der Homo-Ehe befürchtet – die Frage auf, ob nicht auch drei Menschen eine Ehe schliessen können. In der Begründung seiner Minderheitsmeinung hatte Bundesrichter John Roberts festgehalten, dass sich mit vielen der Argumente, die man zugunsten der Homo-Ehe anführte, «auch ein Grundrecht auf Mehrfachehen» begründen lasse.
Im US-Bundesstaat Montana fragte der 46-jährige Mormone Nathan Collier: «Wenn das Geschlecht der Eheleute keine Rolle spielt, warum denn ihre Zahl?»

Ross Douthat, 36-jähriger Kolumnist der «New York Times», empfiehlt schon länger, nicht das negativ belastete Wort «Polygamie» zu verwenden, sondern lieber von «Polyamorie» oder von «ethisch nicht-monogam» zu reden.

Der auf Religion und Moral spezialisierte Ross Douthat stellt in den USA eine rasante Entwicklung fest, von fundamentalistischen Moralvorstellungen zu einer liberaleren Haltung. Allein in den letzten 15 Jahren hätten die Traditionalisten viel Boden an die Progressiven verloren. Als Beweis zitiert Douthat jüngste Gallup-Umfragen. Danach hat sich die Akzeptanz bei umstrittenen Fragen wie folgt entwickelt:
Kinder haben ohne Heiratsschein: von 45% im Jahr 2001 auf 61% heute.
Scheidungen: von 59% auf 71%.
Vorehelicher Sex: von 53% auf 68%.
Polyamorie: von 7% auf 16%.
Parallelbeziehungen von Mormonen und Muslimen belastet
Trotz leicht höherer Toleranz glaubt Douthat nicht, dass in absehbarer Zeit eine Mehrheit der Erwachsenen die Polygamie oder besser «Polyamorie», also die gleichzeitige Liebesbeziehung mit verschiedenen Partnerinnen oder Partnern, gesellschaftlich akzeptiert. Bürgerrechtsbewegungen würden sich kaum dafür stark machen; dies im Unterschied zu ihrem Engagement für die Homo-Ehe.
In den USA sei Polygamie im engeren Sinn, also die Viel-Ehe, vor allem wegen der fundamentalistischen Mormonen und der fundamentalistischen Muslimen in Verruf gekommen. Bei diesen können Männer mit mehreren Frauen nicht nur gleichzeitig sexuelle Beziehungen haben, sondern sie konnten einst auch mehrere Frauen heiraten (bevor das gesetzlich verboten wurde). Allerdings hatten die Frauen diese Rechte nicht. Deshalb, meint Douthat, habe das Wort «Polygamie» den Ruf als biblisch und nicht als cool.
Der Kolumnist bevorzugt Ausdrücke wie «Polyamorie» oder «ethisch nicht-monogame» Lebensweise. Wer diese ohne Heirat praktizieren möchte, sei auf keine Gesetzesänderungen angewiesen. Es gelte nur die moralischen Verurteilungen derjenigen auszuhalten, welche die «Polygamie», verstanden als gleichzeitige Beziehung zu mehreren Partnerinnen und Partnern, aus Überzeugung ablehnen.
Doch was wird passieren, fragt Douthat, wenn ein lesbisches Paar den biologischen Vater ihres Kindes in ihre Beziehung aufnehmen möchte? Oder wenn das Kind einer Polyamorie-Familie später vor Gericht verlange, dass sein Vater als gesetzlicher Ehemann seiner Mutter anerkannt wird?
Schliesslich hätten auch Väter, die serielle Monogamie praktizieren, oft Kinder verschiedener (Ehe-)Frauen. Die meisten dieser Kinder hätten ein verheiratetes Paar als Eltern. Warum dieses Ehe-Recht den Vätern und Müttern verweigern, die das Gleiche wollen, nur gleichzeitig?
Der Kolumnist glaubt jedoch nicht, dass sich in dieser Richtung bis 2025 etwas ändern wird: «Vielleicht wird es aber im Jahr 2040 mit einem Achselzucken so weit sein».
In der Schweiz hat die Basler Rechtsprofessorin Ingeborg Schwenzer in ihrem Gutachten zum Familienrecht empfohlen, das Verbot der Polygamie zu überprüfen. Es gehe darum, die Frauen besser zu schützen: Als Geliebte eines verheirateten Mannes würden Frauen heute rechtlos dastehen. Der Realität solcher Dreierverhältnisse müsse der Gesetzgeber gerecht werden.


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