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Das Verschieben von Vermögen und Einkommen wird mit dem Austausch der Bankdaten etwas erschwert © mattig

Selektives Lüften des Steuerfluchtgeheimnisses

Red. /  Der Bundesrat will den automatischen Austausch von Bankdaten über die OECD-Länder hinaus ausweiten – aber nur selektiv.

«Der Bundesrat will den automatischen Austausch der Bankdaten möglicher Steuerhinterzieher auf wenige Entwicklungsländer ausweiten. Aber auch auf die G20-Mitglieder China und Russland. Dem Parlament stehen heftige Debatten bevor.» Diese Einschätzung stammt von den Autoren Dominik Gross und Mark Herkenrath von der «Alliance Sud» in der neusten Ausgabe von deren Zeitschrift «Global+».

«Rosinenpickerei»

Unter dem Titel «Automatisch Selektiv» nennen die Autoren den bundesrätlichen Vorschlag weiterer Länder, mit denen die Schweiz Bankdaten automatisch austauschen möchte, eine «Rosinenpickerei». Denn auf der bundesrätlichen Kandidatenliste kämen nicht etwa einfach alle Länder vor, die das multilaterale Rahmenabkommen zum AIA unterzeichnet haben. Ghana zum Beispiel fehlt auf dieser Liste, obwohl das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) Ghana mit Geldern aus dem Entwicklungsbudget bei der Erhöhung seiner Steuereinnahmen unterstützt. Warum das so ist, geht aus den Vernehmlassungsunterlagen nicht hervor.

Alle ärmeren Länder fehlen

Schliesslich würden auf der AIA-Liste des Bundesrats weiterhin alle ärmeren Entwicklungsländer fehlen. Deren Eliten könnten deshalb weiterhin unbehelligt unversteuerte Gelder auf Schweizer Bankkonten horten.
Allerdings hat bisher auch keines dieser Länder das multilaterale Rahmenabkommen unterschrieben. Die «Alliance Sud»-Autoren sehen einen Grund darin, dass in jenen Ländern die nötige Infrastruktur fehle, um Daten über mögliche ausländische Kontoinhaber zu sammeln und automatisch an deren Steuerbehörden zu senden. Die kostspielige technische Bereitschaft zum reziproken Informationsaustausch sei eine Voraussetzung, um dem multilateralen System beizutreten.
Trotzdem seien einige «fortschrittliche Industrieländer» freiwillig bilaterale AIA-Pilotprojekte mit ärmeren Entwicklungsländern eingegangen, bei denen sie auf die Forderung nach Gegenseitigkeit vorläufig verzichten. «Aus entwicklungspolitischer Sicht stünde es der Schweiz gut an, es diesen Ländern gleichzutun», meinen die Autoren.

…und ein paar Unrechtsstaaten

Für heisse Köpfe in der Parlamentsdebatte sei gesorgt, weil der Bundesrat den automatischen Informationsaustausch AIA auch auf die einflussreichen G20-Staaten China, Russland und Saudi Arabien ausweiten möchte. Alle drei Länder würden von der Menschenrechtsorganisation Freedom House mit Blick auf politische und zivile Rechte als absolut ungenügend («not free») eingestuft. Auch mit dem Datenschutz nähmen sie es nicht genau.
Vor allem SVP-Parlamentarier hätten bereits angekündigt, gegen einen AIA mit diesen Ländern zu opponieren.
Der Widerstand gleicher Parlamentarierinnen und Parlamentarier sei jedoch oft sehr leise, wenn es bei rechtsstaatlich mangelhaften Partnerländern um Freihandelsakommen oder um den Waffenhandel geht, kritisieren die Autoren: «Dort spielen moralische Überlegungen nur eine marginale Rolle. Die Argumente nationalkonservativer Kreise gegen die Ausweitung des AIA würden denn auch unangenehm an eine längst überholte Rechtfertigungsideologie erinnern: Das Schweizer Bankgeheimnis diene bloss dem Schutz rechtschaffener Menschen im Ausland vor Übergriffen durch erpresserische Staatsapparate.»
Doch tatsächlich würden sich über den fehlenden Informationsaustausch vor allem Steuerhinterzieher freuen, die ihrem Heimatland wichtige Finanzmittel für die Bildung, die Gesundheitsversorgung oder Verkehrsinfrastruktur entzögen. In der Regel würde es sich dabei um Angehörige der wirtschaftlichen Elite handeln, deren Reichtum auch ohne das Wissen um ein Konto in der Schweiz offensichtlich sei und vom Staat deswegen nicht behelligt werden.
Ein AIA würde die Steuerflucht solcher Leute wenigstens erschweren.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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