Cheflhne

Cheflöhne in KMU: Eine Million ist die Regel (Screenshot aus NZZonline) © NZZ

KMU: Unsinnige Zahlen verzerren die Realität

Christian Müller /  KMU, kleine und mittlere Unternehmen, sind das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Doch was darüber geschrieben wird, ist absurd.

Ob NZZ oder Bundesverwaltung: Bei den Zahlen zu den kleinen und mittelgrossen Unternehmen KMU scheint der Phantasie keine Grenze gesetzt zu sein. So etwa vermeldet NZZonline als Wiedergabe eines Artikels der NZZ am Sonntag vom 31. März 2013 schon im Titel den folgenden Schwachsinn: «Cheflöhne in KMU: Eine Million ist die Regel».

Schwachsinn? Ein hartes Wort. Aber bitte: Die Schweiz hat knapp 400’000 Betriebe, von denen über 99 Prozent zur Kategorie der KMU gehören (bis 250 Mitarbeitende). Danach müssten irgendwelche 390’000 Chefs ein Einkommen von 1 Million Franken haben, was 390 Milliarden Franken entspräche – also fast so viel wie das Bruttoinlandprodukt BIP, das ganze (in Franken messbare) Schweizer Volkseinkommen!

Unsinn auch beim Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

Wer allerdings auf die Spezialseite KMU der offiziellen Website des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung geht, findet gleichwertigen Unsinn. Da ist als neuste Meldung ein Text zur Wirtschaftskriminalität in den KMU der Schweiz publiziert, datiert vom 27. März 2013. Und da liest man etwa, dass die KMU in den letzten zwei Jahren einen Schaden aufgrund von Diebstahl und Unterschlagung in Höhe von 4.7 Millionen Franken erlitten hätten – was gerademal zwölf Franken pro Betrieb ausmachen würde. Etwas weiter unten steht dann allerdings, dass nur 13 Prozent der KMU von Wirtschaftskriminalität betroffen waren. Das ergäbe dann pro betroffenen Betrieb einen Schaden von knapp 90 Franken – also immer noch Peanuts, nicht wert, überhaupt erhoben zu werden! Doch dann wieder liest man im selben Text, dass der Schaden pro betroffenem Betrieb bei 360’000 Franken lag. Das hiesse dann, dass nicht 13 Prozent der 390’000 Betriebe betroffen waren, sondern nur 13 Betriebe.

Rechnen ist nicht Sache des SECO

Die Studie, auf der dieser unsinnige Text des SECO beruht, stammt von der KPMG. Dort kann man lesen, dass 100 Betriebe befragt wurden. Die gefundenen Zahlen müssten also mindestens von den 100 Betrieben auf die 390’000 Betriebe hochgerechnet werden – offensichtlich eine unzumutbare Rechnerei für das SECO.

Aber auch die «Erkenntnisse» der KPMG-Studie muten etwas seltsam an. Da steht etwa wörtlich: «Nur in 15 Prozent der Unternehmen, die Opfer von Wirtschaftsstraftaten wurden, war die Geschäftsführung involviert.» Sprich: In 7600 Betrieben (15 Prozent von 13 Prozent von 390’000) sitzt in der Geschäftsleitung ein Krimineller. Das sind immerhin zwei von hundert! Und das nennt die KPMG, eine der vier grössten Wirtschaftsprüfungs- und Revisionsgesellschaften der Welt: «nur»!

Vorschlag für einen neuen Titel in der nächsten NZZ am Sonntag: «390’000 Schweizer Chefs verdienen eine Million Franken – und nur 7600 von ihnen sind kriminell.» Die Leute werden es sicher lesen.

Traue keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast!

* * * * * * * * * *

Für den Fall, dass das SECO seine Meldung aufgrund dieses Artikels verschwinden lässt, hier der Text im Wortlaut:

KMU werden häufig Opfer von Unterschlagung

»(27.03.2013) Die Schweizer Unternehmen haben mit verschiedenen Formen von Wirtschaftskriminalität zu kämpfen. Insbesondere Diebstahl und Unterschlagung verursachten bei den KMU in den letzten beiden Jahren Schäden in Höhe von CHF 4,7 Millionen, wie eine Studie von KPMG ergab.
KMU werden häufiger Opfer von Diebstahl und Unterschlagung als Grossunternehmen. KPMG zufolge betrafen 71 der 138 zwischen 2011 und 2013 gemeldeten Fälle ein KMU. Grossunternehmen sind hingegen stärker vom Problem des Datendiebstahls und Datenmissbrauchs betroffen.
In den letzten beiden Jahren ereigneten sich bei 47% der Grossunternehmen und 13% der KMU Fälle von Wirtschaftskriminalität. Die verschiedenen Deliktarten hatten im Durchschnitt einen Schaden von rund CHF 360’000 pro Unternehmen zur Folge.
Bei den Schweizer KMU wurden die Wirtschaftsdelikte mehrheitlich (56%) von firmenexternen Personen begangen. Von den internen Tätern stammten die meisten aus dem mittleren und oberen Management, wie KPMG hervorhebt.
Alle Fälle zusammengenommen, sind interne Mitarbeitende ohne Kaderfunktion (41%) sowie das mittlere und obere Management (13%) beim Thema Wirtschaftskriminalität die häufigsten Tätergruppen. Die restlichen 39% stammen von ausserhalb des Unternehmens.
Auf die Frage, wie solche Delikte passieren konnten, nannten die Unternehmen mangelndes Unrechtsbewusstsein und fehlende Kontrollen. Aufseiten der Täterinnen und Täter stellen finanzieller Druck und die Aussicht auf Boni die zentralen Motive dar.

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Zuletzt aktualisiert am: 27.03.2013»


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Eine Meinung zu

  • am 2.04.2013 um 14:43 Uhr
    Permalink

    Ich leite selbst seit über 20 Jahren ein KMU mit 50 Mitarbeitenden. Und ich kenne viele KMUs und deren CEOs. Keiner, wirklich keiner verdient eine Million, und auch keiner mehr als eine halbe Million. 100 Betriebe sind zudem statistisch schwach im Vergleich zu fast 400’000 KMUs.
    Und dann stellt sich die Frage, wie die 100 Befragten selektioniert wurden – querbeet aus möglichst vielen Branchen oder v.a. Dienstleistung oder v.a. Handwerk?
    Mit solchen falschen Hochrechnungen und Aussagen bewirkt man nur Missmut, falschen Neid oder Irritation. Schade um die Recherche, die an sich interessant sein dürfte, so die Zahlen denn stimmen würden.

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