Bildschirmfoto20111128um18_21_25

Ausweis zum therapeutischen Hanfbezug © cannabis info

Hinter Hanfverbot stehen Wirtschaftsinteressen

Ruth Zwahlen/Annemarie Meyer /  Der US-Bundesstaat versucht den medizinischen Gebrauch von Marihuana in Kalifornien trotz Volkes Wille zu verhindern.

(Red.) Agenten der «US-Drug Enforcement Administration» stürmten kürzlich mit Sturmgewehren und Kettensägen ins Anbaugebiet von Matthiew Cohen bei Ukiah nördlich von San Francisco und zerstörten die über drei Meter hohen Hanfpflanzen, die Cohen für den medizinischen Gebrauch angepflanzt hatte. Die 1700 Mitglieder seiner «Northstone Organic Collective hielten sich strikt ans kalifornische Gesetz.
«Das kalifornische und das Bundesgesetz existieren wie zwei Welten nebeneinander», erklärte County-Sheriff Thomas D. Allman. Gegen den illegalen Marihuana-Handel schreite er so streng ein wie das überall in den USA üblich ist. Doch der Hanfanbau zu medizinischen Zwecken sei in Kalifornien seit 1996 erlaubt. Damals hatten Kaliforniens Stimmbürger eine Intitiative zur Legalisierung von Marihuana zu therapeutischen Zwecken gutgeheissen.
Doch ein US-Bundesgesetz klassifiziert den Besitz und Verkauf von Marihuana als kriminell und erlaubt keine Ausnahmen für therapeutische Zwecke. Neben Kalifornien haben jedoch 15 weitere US-Gliedstaaten sowie die Hauptstadt Washington den Gebrauch von Hanf zu medizinischen Zwecken erlaubt. Der Republikaner Ron Paul und der Demokrat Barney Frank wollen jetzt dem Repräsentantenhaus ein Gesetz vorschlagen, wonach die Bundesstaaten selbst entscheiden sollen, ob sie das Kraut freigeben wollen.
Auch welch schwachen Füssen das Hanfverbot steht, welche wirtschaftliche Interessen dahinter stehen, und wie die USA das Hanfverbot international – auch in der Schweiz – durchsetzten, zeigt ein Abriss der Hanf-Geschichte, welche Ruth Zwahlen und Annemarie Meyer zusammengestellt haben.
—-
Die Geschichte des Hanf-Verbots
Mitte der Dreissigerjahre des letzten Jahrhunderts, als in den USA mechanische Hanfschälmaschinen und Maschinen zur Konservierung der zellulosereichen Hanfzellmasse in technisch ausgereifter Form und zu erschwinglichen Preisen verfügbar wurden, drohten den grossen Holz-, Papier- und Zeitungsunternehmen milliardenschwere Verluste, wenn nicht sogar Bankrott. Zur selben Zeit hatte der Chemie-Konzern Du Pont Verfahren zur Papierherstellung aus Holzzellulose, sowie Verfahren zur Herstellung von Plastik aus Öl und Kohle patentieren lassen. Und obendrauf patentierte Du Pont noch die Entdeckung der Nylonfaser. Verträge mit den Erdöl-Kolonien waren unter Dach und Fach. Historikern zufolge sollten seine Verfahren in den nächsten 50 Jahren über 80 Prozent seiner gesamten Produktion ausmachen.
Lukrative langjährige Geschäfte in Gefahr
Die Konkurrenz des umweltfreundlichen Hanfpapiers und eines aus Naturstoffen hergestellten Plastikmaterials wie es Henry Ford vorschwebte, hätte die lukrativen Geschäfte der Zeitungsindustrie von Hearst, Du Pont und dessen wichtigsten Geldgeber, die Mellon-Bank, gefährdet. 1931, noch zur Zeit der Alkoholprohibition, ernannte Andrew Mellon, in seiner Funktion als Finanzminister des langjährigen FBI-Chefs J. Edgar Hoovers, seinen Schwiegerneffen Harry J. Anslinger zum Leiter der Drogen- und Rauschgiftbehörde. Allesamt waren sie nicht nur an guten Geschäften interessiert, sondern auch bekennende Rassisten.
Schon einige Jahre zuvor hatte die Hearst-Presse eine Hetzkampagne gegen Spanier, Mexikaner, Latinos und Schwarze begonnen, nun war der Kriegszug gegen den Hanf an der Reihe. Eine gute Gelegenheit, die aufmuckenden Latinos und Schwarzen wieder unter Kontrolle zu halten, denn sie waren es, die sich den Tag mit Marihuana versüssten, um die harte Arbeit besser zu ertragen.
Die Weissen wussten nicht, dass «Marihuana» «Hanf» bedeutete. Anslinger nutzte das aus und erklärte 1937 vor dem Kongress, Marihuana sei die gewalterzeugendste Droge in der Geschichte der Menschheit. Propagandafilme «Marihuana: Mörderkraut der Jugend» machten die Runde. Nur wer faul, schmutzig, Latino oder Schwarzer war, rauchte das Zeug. Mord, Amokläufe, Sexorgien und Vergewaltigungen weisser Frauen wurden mit Marihuana in Verbindung gebracht.
Das war der Startschuss des weltweiten Hanfverbots. Anslinger und Hearst hassten die Jazz-Musik. Denn diese Musik brachte weisse Frauen dazu, mit den Füssen zu wippen. Für Rock und Blues galt später dasselbe. Eigentlich wollte Anslinger auch diese gottlose Musik ausrotten, er liess massenweise Musiker bespitzeln, u. a. Louis Armstrong, später die Beatles und viele mehr. Mehr Informationen dazu in «Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf» von Jack Herer und Matthias Bröckers.
USA drücken Uno-Konvention gegen Marihuana durch
Der Basler Thomas Kessler beschrieb in seinem Buch «Hanf in der Schweiz – Hoffnung für die Drogenpolitik» Anslingers Wirken wie folgt: Wenn jemals Zweifel aufkamen am Sinn der Hanfprohibition, war Anslinger nie um eine neue Entdeckung verlegen, die Hanf zu einer stets noch gefährlicheren Droge machte. Nachdem er jahrelang behauptet hatte, Hanf sei schlimmer als Heroin, hatte Anslinger 1951 plötzlich die gesicherten Erkenntnisse, Hanf führe zwangsläufig zu Heroin. Die Einstiegstheorie war geboren. Als Hauptgeldgeber der UNO machten die USA Anslinger 1947 zum Vorsitzenden der UN-Drogenkommission. In dieser Funktion erreichte er, dass die WHO 1954 beschloss, Hanf und seine Derivate hätten keinerlei therapeutischen Wert, im Gegenteil, sie seien gefährlich.
1961 gelang Anslinger in der UNO mit seinen Lügen der globale Durchbruch des Verbots mit der «Single Convention on Narcotic Drugs». Im Namen der Gesundheit und des Wohls der Menschheit hatten sich alle Unterzeichnerstaaten, auch die Schweiz, der Hanfverfolgung anzuschliessen. In einem Interview sagte Anslinger ganz offen, was er mit dieser Konvention bezweckte: «Wer von jetzt an in den USA Marihuana legalisieren will, verstösst gegen internationale Übereinkommen. Nun kann mir niemand mehr innenpolitisch kommen.» Auf die Frage ob das Marihuana-Verbot also vorwiegend eine politische Demonstration der USA sei, sagte er: «Sicherlich.»
1969 schliesslch musste die WHO zurückkrebsen und feststellen, dass Hanf keinerlei physische Abhängigkeit verursacht. Die Gesundheitsorganisation empfahl aber dennoch weiterhin die gesetzliche Kontrolle. Gleichzeitig machte Anslingers wichtigste «wissenschaftliche Referenz», der Psychiater Munch, eine 180-Grad-Wendung und erklärte in einem Gerichtsgutachten: «Die Annnahme, Marihuana würde die Persönlichkeit beeinflussen, gehört zu den Annahmen der Vergangenheit und wurde durch die neuere Forschung widerlegt.»
95 Prozent der Quellen waren Zeitungsausschnitte
Ein Jahr später 1970, nach fast vierzig Jahren, zieht sich Anslinger ganz aus dem «Drogengeschäft» zurück. In seinem Buch «The Murderers» und in verschiedenen Interviews offenbart er, dass ihm die Drogenpolitik immer nur als Machtinstrument zur Durchsetzung der Interessen der äusseren Rechten diente. Nach seinem Tod am 14. November 1975 ergab eine Sichtung Harry J. Anslingers Aktennachlasses, den er der Pattee Library an der Pennsylvania State University vermacht hatte, dass 95 Prozent seiner Quellen aus Zeitungsausschnitten von Boulevardzeitungen bestanden.
Oberster Chef des FBI war seit 1924 immer noch J. Edgar Hoover. Unter der Präsidentschaft von Nixon, der 1972 weltweit zum «War on Drugs» aufrief, tritt Gabriel Nahas Anslingers Nachfolge als Sonderberater der Narkotika Kommission der UNO an. Von sich selbst sagt er: «Ich bin ein Cannabis-Feind, und ich werde Cannabis mit allen Mitteln bekämpfen». Der Geist der Repression verfestigte sich in der UNO. Nahas verbringt die folgenden Jahre damit, Munchs alte, zum Teil von Munch selbst widerrufene Vorbehalte gegen Hanf neu aufzufrischen. 1979 fliessen Nahas gesammelte und manipulierte Studien in den UN-Suchtstoffbericht ein.
1983 distanziert er sich selber von seinen Studien, was ihn aber nicht daran hindert, sie weiter zu verbreiten. Unter anderem mit folgenden Behauptungen: «Hanfkonsum führt zu irreparablen Gehirnschäden und einem vorzeitigen Altern um Jahrzehnte. Der Konsum selbst kleiner Cannabismengen führt zu schweren Fehlgeburten (Kinder mit mehreren Köpfen) und dies könne sich ohne weiteren Konsum selbst mit einer Verzögerung von einer Generation einstellen.»
Weiter verbreitet er, Hanf mache Männer impotent und Frauen unfruchtbar. Damit nicht genug: »Männer kriegen Brüste und Frauen Schnäuze. Hanfkonsum führt unweigerlich zu Krebs». Einige Behauptungen waren Nahas aus der Luft gegriffen, andere plump manipuliert. Beim US-Justizministerium wusste man natürlich um die Qualität der UNO-Berichte von Nahas, nicht aber in Europa.
Bush als Lobbyist der Pharmaindustrie
Im Jahr 1981 macht Ronald Reagan den früheren CIA-Direktor George W. Bush zum Direktor der Drogenverfolgungsbehörde. Bush gilt als Lobbyist der Pharmaindustrie und ist Grossaktionär bei verschiedenen Pharma-Firmen. Einmal mehr steht der Rehabilitierung der medizinischen Anwendung von Cannabis ein einflussreicher Politiker im Weg. Das Engagement von Bush im Pharmasektor ist insofern von Bedeutung, als dass diese Branche alles andere als begeistert ist von der immer lauter ertönenden Forderung, das Naturprodukt Hanf zu medizinischen Zwecken zuzulassen. Lag der Wirtschaftskonflikt anfangs des Jahrhunderts zwischen Hanf und der Petrochemie, so ist es jetzt vor allem die Pharmaindustrie, die um ihre Pfründe fürchtet.
Bush’s oberster Drogenjäger und Nachfolger von Nahas war Carlton Turner. Er liess versteckte Cannabisfelder per Flugzeug mit Paraquat besprühen mit dem Kommentar, wenn Jugendliche vergiftetes Marihuana rauchten und sterben, seien sie selbst schuld. Für ihn waren Jazz- und Rocksänger diejenigen, die das Amerika, das er liebte, mit dieser Halluzinationsdroge, die er ausrotten wollte, zerstörten. Er musste 1986 zurücktreten, nachdem er öffentlich behauptet hatte, Cannabis mache homosexuell, lasse das Immunsystem zusammenbrechen und verursache deshalb Aids.
1998 sorgte in Frankreichs ein Expertenbericht für Sprengstoff: Eine Kommission unter Leitung von Professor Bernard Roque reihte den Alkohol neben Heroin und Kokain in die Gruppe der gefährlichen Gifte, den Tabak in die zweite Gruppe zusammen mit synthetischer Drogen wie Ecstasy und stimulierender Medikamente wie Amphetamine etc., die Cannabisprodukte Haschisch und Marihuana hingegen in die Kategorie der am wenigsten schädlichen Stoffe, und dies wenige Tage nachdem Jacques Chirac sich in New York vor der UNO vehement gegen eine Legalisierung ausgesprochen hatte.
Dieser französische Expertenbericht sollte in den WHO-Bericht von 1998 einfliessen. Doch die WHO habe dem Druck verschiedener Institutionen nachgegeben und die Studie nicht veröffentlicht. Ziel müsse eher eine Beschränkung legaler Drogen sein, als eine Freigabe heute verbotener, hiess es.
In England wurde David Nutt, Drogenbeauftragter der britischen Regierung, im Jahr 2009 entlassen, weil er mit Kollegen erneut eine Gefährlichkeitsrangliste von Drogen erstellte, mit drei Faktoren: nämlich Schädlichkeit, Abhängigkeit und Auswirkung auf die Gesellschaft, und weil er an Vorlesungen über diese Fakten aufklärte.
SVP, EDU, SD und Scientologen verbreiten die Märchen weiter
In der Schweiz war der Konsum von Cannabis 1975 verboten worden. 1991 wurde der Schwerefall (Besitz und Verkauf von mehr als 4 Kilo) aufgehoben, mit der Begründung, Hanf könne keine Vielzahl von Menschen gefährden. Heute gilt wieder als Schwerefall, wer banden- und geschäftsmässig mit Cannabis handelt. Die relative Ungefährlichkeit der Substanz wurde so wieder elegant umgangen.
Im Abstimmungskampf der Hanfinitiative von 2008 haben SVP, EDU und SD Carlton Turners zusammengefasste zahlreichen Studien aus den Jahren 1964 bis 1982 (also noch Anslingers und Nahas Werke) wieder aufgetischt und verbreitet. Noch heute bringen Scientologen und ehemalige VPM-Mitglieder (u.a. beim Verein «Schweizer Ärzte gegen Drogen») die Scientology-Broschüre «Cannabis/Die Fakten über den Joint» unters Volk und ins Bundeshaus.
Politiker, Ärzte und Wissenschaftler haben es nicht geschafft, die bestehenden Ängste zu beseitigen und der Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen.
Ein kleiner Hoffnungs-Schimmer am Horizont
Die Pharma-Industrie hat kein Interesse an Hanf, da er nicht patentierbar ist. Sie hat im Gegenteil ein grosses Interesse daran, dass Cannabis als Heilmittel weiterhin verboten bleibt. Dennoch hat am 24.3.2011 das US National Institute of Health folgendes Statement auf seine Website gestellt: Es wird nun also auch von der amerikanischen Regierung anerkannt, dass Cannabinoide Krebszellen angreifen und deren Zelltod auslösen können. Es wird empfohlen, Hanfpräparate nicht nur für Appetit-Stimulation, Schmerzbekämpfung und verbesserten Schlaf einzusetzen sondern auch für direkte Tumorbekämpfung.

NACHTRAG
Siehe «Ruth Dreifuss attackiert Uno-Gremien» vom 12.3.2013


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Ruth Zwahlen führt das Hanfmuseum in Tägerig AG und setzt sich zusammen mit Annemarie Meyer in der Schweiz für die Legalisierung von Cannabis-Produkten zu therapeutischen Zwecken ein.

Zum Infosperber-Dossier:

Pillen

Die Politik der Pharmakonzerne

Sie gehören zu den mächtigsten Konzernen der Welt und haben einen grossen Einfluss auf die Gesundheitspolitik.

Drogen

Drogen verbieten oder legalisieren?

Der Drogenkrieg ist ein Fiasko, sagen die einen, keine weiteren Drogen neben Alkohol und Tabak die andern.

Bildschirmfoto20120125um10_27_01

Gesundheitskosten

Jeden achten Franken geben wir für Gesundheit aus – mit Steuern und Prämien. Der Nutzen ist häufig zweifelhaft.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.