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Im z.T. abgedeckten Bericht kritisiert das US-Justizdepartement das FBI, doch lügt es gleich selbst © pro publica

Journalist entlarvt Geheimdienst und Datenlieferer

Matthias Strasser /  Das Abhören und Datensammeln zielt nicht nur auf Kriminelle und Terroristen. Auch unbequeme US-Journalisten sind betroffen.

US-Reporter Raymond Bonner hat seine Geschichte im Internet-Portal «Pro Publica» veröffentlicht. Er hatte die Hintergründe des Todes zweier US-Lehrer in Indonesien recherchiert. Jahre später waren Aufzeichnungen seiner Telefongespräche noch immer im Besitz des FBI – entgegen aller Beteuerungen.

Zwei amerikanische Lehrer waren auf West Papua in Indonesien unter mysteriösen Umständen gestorben. Auf der Insel betreibt der US-Bergbaukonzern Freeport Kupfer- und Goldminen, die zu den grössten der Welt gehören. Für den Tod der beiden Lehrer machte die indonesische Regierung sowie Freeport die Separatisten des Free Papua Movement verantwortlich. Doch der Journalist Raymond Bonner fand 2003 heraus, dass die Lehrer vom indonesischen Militär ermordet wurden, und dass auch die amerikanische Regierung involviert war. Seinen Artikel in der New York Times begann er mit dem Satz: «Vertreter der Bush-Administration haben dafür gesorgt, dass indonesische Soldaten die Lehrer in einen tödlichen Hinterhalt lockten.» Er zitierte zwei FBI-Informanten, die bestätigten, dass «zweifelsfrei» das Militär hinter den Morden stand. Bonner zitierte auch einen nicht namentlich genannten «diplomatischen Mitarbeiter» als Quelle.

Nicht den Morden wurde nachgegangen, sondern den Informanten

Darauf eröffneten die US-Behörden nicht etwa eine Untersuchung über die amerikanische Beteiligung an den Morden. Vielmehr machte das FBI Jagd auf Verdächtige, die Bonner als «geheim» klassifizierte Informationen weitergaben. Über eine als «Company A» anonymisierte US-Firma konnte sich der Geheimdienst Metadaten der Telefongespräche nicht nur von Bonner und seiner Frau, sondern auch von Jane Perlez, der Bürochefin der New York Times in Indonesien, sowie auch von zwei Journalisten der «Washington Post» beschaffen, die ebenfalls über die Morde publiziert hatten. Der Name der «Company A» unterliegt der Geheimhaltung. Sie beschaffte sich und lieferte detaillierte Informationen zu Dauer, Adressat und Zeitpunkt der Telefongespräche.

«Unternehmen A» geniesst besonderen Schutz

Um diese Daten zu erhalten, haben die FBI-Agenten die Vorgaben des amerikanischen Justizministeriums missachtet. Denn um an die Telefondaten zu kommen, hätten die Agenten einen richterlichen Beschluss benötigt. Einen solchen haben sie nie beantragt. Stattdessen verschafften sich die Agenten mit einem «dringlichen Brief» Zugang zu den Daten. Dieser ist eigentlich für «extreme Umstände» vorgesehen, etwa wenn die Zeit nicht mehr reicht, um den Richter anzufragen. Juristisch gab es keine Rechtfertigung, weshalb eine Ermittlung zu einer mittlerweile drei Jahre alten Recherche zu «extremen Umständen» geführt haben sollte.
Eine jetzt veröffentlichte Untersuchung des Justizdepartements aus dem Jahr 2010 bestätigt dies und stellt fest, dass «Company A» und der FBI den «dringlichen Brief» gemeinsam verfasst hatten. Die «Company A» wollte zur Herausgabe der Daten keinen richterlichen Beschluss sehen. Sie zeigte sich auch äusserst «grosszügig» und gab der FBI nicht nur die Daten für den beantragten Zeitraum von sieben Monaten heraus, sondern gleich die Daten von 1’627 Telefongesprächen von Bonner und anderen Reportern, die diese während einer Periode von rund 22 Monaten geführt hatten.

Justiz lügt, Daten landen in Datenbank

Diese Praxis steht im Gegensatz zu Beteuerungen der Telekommunikationsunternehmen, dass sie der Unverletzlichkeit der Privatsphäre ihrer Kunden verpflichtet seien. Möglicherweise hat «Company A» die Gespräche im Wissen der Telekommunikationsunternehmen abgefangen. Das Justizdepartement versicherte, dass das FBI die Telefondaten ausschliesslich für irgendwelche Ermittlungen eingesetzt habe, die in einem Zusammenhang mit Terror oder Kriminalität im Zusammenhang stehen. Bonner glaubt dem FBI nicht. Denn im Jahr 2007, vier Jahre nachdem Bonner die Recherche in Indonesien gemacht hatte, wurde gegen den amerikanischen Diplomaten Steve Mull eine interne Untersuchung eingeleitet. Der Vorwurf: Mull soll Bonner sensible Daten herausgegeben haben. Mull war zur Zeit der Recherchen in der Chefetage der diplomatischen Vertretung in Indonesien beschäftigt.

Um den befreundeten Diplomaten zu entlasten, entschloss sich Bonner zu einer Aussage. Bei der Vernehmung mit dem FBI erfuhr Bonner, dass die Beamten Bescheid wussten über Telefongespräche zwischen ihm und Mull. Sie hatten also – entgegen der Behauptung des Justizdepartements – die Daten für Ermittlungen über das Informations-Leak verwendet.

Fadenscheinige Behauptung: «Daten wurden gelöscht»

Ein Jahr nach dieser Befragung erhielten Bonner und die andern überwachten Journalisten Post vom FBI: Ihre Telefondaten seien aufgrund eines «dringlichen Briefs» von einigen Datenbanken entnommen worden. Das FBI beruhigte die Journalisten, dass die Daten ausschliesslich durch den anfordernden FBI-Agenten gesichtet worden seien, und dass sie nach den Ermittlungen vollständig gelöscht wurden.

Bonner zeigt sich überzeugt, dass das Justizdepartement in seinem Bericht von 2010 nach wie vor zentrale Punkte verschweigt. Entscheidende Stellen im Bericht sind eingeschwärzt.
Klar ist: Das FBI hatte nach der regierungskritischen Indonesien-Recherche Bonners Tausende Telefondaten für Jahre gespeichert und genutzt. In Zusammenhang mit den weitreichenden Datensammlungen seiner Geheimdienste behauptet Obama derweil nach wie vor, es hätten nur Kriminelle und Terroristen etwas zu fürchten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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NSA, BND, NDB: Totale Überwachung?

Die Angst vor terroristischen Anschlägen wird als Grund genannt für weitreichende Privatsphäre-Eingriffe.

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2 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 24.10.2013 um 11:51 Uhr
    Permalink

    Es ist ausserhalb der politischen Realität, anzunehmen, der US-Präsident sehe beim Geheimdienst durch; das kann er gar nicht wollen, sonst ist er schnell in einer Nixon-Situation Mithängender; es ist vorteilhafter, von unsauberen Sachen nichts zu wissen oder nichts gewusst zu haben. Vgl. auch George W. Bush am 11. Sept. 2001. Wirklich garantieren, dass ein Geheimdienst unsaubere Sachen macht, kann und will weder ein amerikanischer noch ein israelischer noch ein russischer Präsident, wobei letzterer wohl als ehemaliger KGB-Profi den Laden gewiss am besten kennt und sich dafür am wenigsten entschuldigen kann; immerhin wirft niemand Putin Naivität vor.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 24.10.2013 um 15:28 Uhr
    Permalink

    Wirklich garantieren, dass ein Geheimdienst k e i n e unsauberen Sachen macht, muss es natürlich heissen. Eben das kann und will kein Präsident garantieren, das Beste ist es für ihn, wenn nur der auswechselbare Geheimdienstchef oder ein Oberspion ganz Heikles weiss, der Präsident selber lieber nicht, weil er sonst vom Wähler oder vom Parlament (per impeachment) belangt werden könnte.

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