Kommentar

Merkel: Kein Entscheid gegen die Meinungsfreiheit

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

Urs P. Gasche /  Die Bundeskanzlerin will den Beleidigungsparagraphen streichen, wie es Infosperber gefordert hat. Der Bundesrat sollte ihr folgen.

Präsident Erdoğan darf von deutschen Gerichten abklären lassen, ob er sich die Beschimpfung vom Satiriker Böhmermann nach geltendem Recht im Namen der Meinungs- und Medienfreiheit gefallen lassen muss. Entgegen den vorherrschenden Diskussionen ging es beim Entscheid der deutschen Bundesregierung nicht darum, wie weit die Meinungsfreiheit von Satirikern gehen darf. Um dies abzuklären, sind die Gerichte zuständig.
Merkels Entscheid war ein rein politischer, den sie fällen musste, weil ein Strafverfahren wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsmanns laut Strafgesetz eine Ermächtigung der Regierung bedarf.
Das ist in der Schweiz gleich. Infosperber hat darüber informiert, dass der Bundesrat Anträgen der beiden Diktatoren Muammar Ghadhafi sowie Schah Reza Pahlavi nachgekommen ist und Strafprozesse wegen derer angeblichen Beleidigungen erlaubte.
In Deutschland wird der Beleidigungsparagraph beseitigt
Bundeskanzlerin Angela Merkel gab am 15. April bekannt, der Bundestag werde den betreffenden Artikel aus dem deutschen Strafgesetzbuch baldmöglichst löschen.
Infosperber hatte am 14. April geschrieben und gefordert:

  • Es stellt sich die Frage, weshalb ausländische Staatschefs, die sich beleidigt fühlen, für ein strafrechtliches Vorgehen das politische Plazet einer Regierung brauchen.
  • Das Abschaffen der entsprechenden Bestimmungen in den Strafgesetzbüchern (in der Schweiz StGB Art. 302 in Bezug auf Art. 296) könnte Bundeskanzlerin Merkel und unseren Bundesrat künftig vor peinlichen sowie politisch heiklen Situationen verschonen.
  • Zu prüfen wäre das Abschaffen auch des strafrechtlichen Beleidigungsartikels 296. Ausländische Regierungsvertreter können gegen Ehrverletzungen sowohl strafrechtlich (Art. 173-177 StGB) als auch zivilrechtlich wie alle andern Bürgerinnen und Bürger vorgehen.

Schneller als erwartet will die Bundeskanzlerin die letzte Forderung erfüllen, um künftig keinen politisch so heissen Entscheid mehr fällen zu müssen. Wenn in der Schweiz Bundesrat und Parlament nicht nachziehen, riskiert der Bundesrat erneut in eine peinliche Situation zu geraten, wie bei und nach seiner Bewilligung des von Ghadhafi beantragten Strafprozesses gegen einen Politiker in Genf.

Siehe:
Der Bundesrat liess Strafklagen wegen Beleidigung zu


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Eine Meinung zu

  • am 16.04.2016 um 16:45 Uhr
    Permalink

    Klagen darf, wer sich beleidigt fühlt, ob Staatsoberhaupt oder nicht. Also darf sich auch Herr Erdogan wehren. Aber wer im Glashaus sitzt und wiederholt mit Steinen auf Karikaturisten und Satiriker wirft, verursacht unnötigen Lärm und hat schliesslich selbst den maximalen Schaden – auch wenn Böhmermanns Text weit daneben geht. Vielleicht ist das der Hintergedanke der deutschen Regierung.
    Martin Eberli

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